10 Gründe, warum unser Umgang mit Studien brandgefährlich ist

Wie ich diese klick-optimierten Überschriften hasse! In diesem einen Fall hoffe ich, dass sie euch nicht abgeschreckt hat. Vielleicht, weil ihr mir als Autorin vertraut?

In Zeiten, in denen Klicks wichtiger zu sein scheinen als Fakten oder gründlich Überlegtes und daher nicht ganz so Vereinfachbares, in solchen Zeiten tut es Not, einfach mal auf die Bremse zu treten. Habt ihr euch auch schonmal gefragt, wo diese ganzen Studien immer herkommen, auf die wir mit ähnlichen Überschriften täglich hingewiesen werden? Und wie sehr wir ihnen vertrauen können?

Oft genug verbirgt sich hinter einen Überschrift wie „5 Lebensmittel, die sie auf keinen Fall essen sollten“ am Ende keinerlei Information, die über irgendwelche Allgemeinplätze hinausgeht, und die entweder unseren Vorannahmen entspricht (weswegen wir sie wahrscheinlich angeklickt haben), oder die uns andernfalls kaum vom Gegenteil überzeugen kann.

Weil mich dieses Phänomen so ärgert, habe ich mich voll über dieses Video gefreut, in dem auf satirische Art gezeigt wird, wie bescheuert der Umgang mit tatsächlich (aus ebenso hinterfragbaren Gründen) haufenweise produzierten Studien in den Medien heute oft ist. Kurz zusammengefasst für diejenigen, die nicht genug englisch verstehen oder schlicht nicht auf jeden blöden Link klicken wollen:

  • wissenschaftliche Ergebnisse werden trivialisiert
  • Datenbasis, Methoden und Herkunft werden nicht überprüft, so dass unwissenschaftliche Studien als Wissenschaft verkauft werden
  • Überschriften geben Inhalte falsch wieder
  • durch dieses Vorgehen wird Wissenschaft insgesamt diskreditiert – und das ist gefährlich.

Lassen wir uns also nicht verdummen, sondern gehen wir öfters mal wieder in eine Bibliothek oder lesen längere und mehrere Artikel zu einem Thema. Wir können uns dann nicht so schön wie Spezialist*innen für alles fühlen, aber vielleicht verstehen wir wenigstens ein paar wenige Sachen, und die dafür richtig.

Hier gehts zum Video: https://youtu.be/0Rnq1NpHdmw . Es ist leider altersbeschränkt. Wäre ja auch schlimm, wenn Jugendliche das erfahren würden! Danke, YouTube aka Google!

PS: meine Liebste hat mich darauf hingewiesen, dass die ursprüngliche Überschrift dieses Artikels Sehbehinderten-feindlich war. Danke dafür!

UnFAIRe Bürgerwissenschaften

Unter dem Label „Bürgerwissenschaften“ oder “Citizen Science” werden derzeit Menschen wie du und ich zum Datensammeln animiert. Was dahinter steckt, was daran gar nicht FAIR ist, und was Daten- von Pilzsammler*innen lernen könnten, darüber schreibe ich in diesem Artikel.

Mykologie – Pilzkunde – war schon immer “Citizen Science”, zumindest, wenn wir den Begriff “Citizen” hier nicht überstrapazieren wollen. Menschen haben hier und in vielen anderen Teilen der Welt schon immer Pilze gesucht und gesammelt. Pilze werden und wurden gegessen, zu Heilzwecken oder in spirituellen Zeremonien verwendet. Manche sind essbar, andere giftig, manche helfen beim Bierbrauen oder Backen, andere beim Feuermachen.

Um für die gewünschten Zwecke den jeweils richtigen Pilz zu finden, ist es wichtig, einiges über Pilze zu lernen: wie sie aussehen, in welchen winzigen Details sich die einen von den anderen unterscheiden, wann und wo sie auftauchen, wann und wo es keinen Sinn macht, sie zu suchen und vieles mehr. Menschen, die solches Wissen erworben hatten, gab es lange bevor die akademischen Wissenschaften auf den Plan traten, wo die Welt der Pilze bis ins 18. Jahrhundert ein Randgruppendasein im Schatten der Botanik fristete.

Später wurde den Pilzen, zu denen auch Hefen und Schleime gehören, ihr eigenes taxonomisches Königreich gegeben – denn nach geltenden Definitionen sind sie weder Tier noch Pflanze. Tiere bewegen sich selbständig, Pilze breiten sich aus: der größte und älteste lebende Organismus der Erde ist ein Hallimasch – er ist über 900 qkm groß und mehr als 2000 Jahre alt. Während jedoch Pflanzen Fotosynthese betreiben und damit ihre Nahrung selbst herstellen, ernähren sich Pilze indem sie Enzyme ausscheiden – sie verdauen außerhalb ihres Körpers. Auf diese Art zersetzen sie totes wie lebendes Material und machen die Nährstoffe (z.B. Mineralien) daraus für sich selbst oder Partnerwesen (Moose, Flechten, Pflanzen, Tiere) verfügbar. Doch welche Bedeutung ihnen damit zukommt, wurde nicht durch systematisch- wissenschaftliche Beschreibung, sondern per Zufall erkannt. Die Entdeckung des Penizillins erweiterte den wissenschaftlichen Horizont nicht nur auf medizinischem Gebiet.

Pilze waren und sind große Zerstörer*innen und Gestalter*innen unserer Welt. Ohne sie wäre an Land kein Leben entstanden oder es wäre schon längst wieder am eigenen Abfall erstickt. Es gibt Grund zur Hoffnung, dass einige Pilze eines Tages auch mit unserem Plastikmüll klarkommen werden .

Bürger*innen, die viel zu selten als Expert*innen jenseits akademischer Welten betrachtet werden, haben vielleicht auch dies irgendwo anders in der Welt schon längst beobachtet, zum Beispiel auf den Müllbergen indischer Großstädte. Genauso wie die antibiotische Wirkweise von bestimmten Pilzen in China bereits vor Jahrhunderten genutzt wurde .

Um die Probleme unserer Welt zu lösen ist es wichtig, dass solcherart Wissen zugänglich und damit global nutzbar gemacht wird. Im besten Fall profitieren alle davon, im schlechtesten haben wir auf anderer Ebene versagt, was hier aber nicht Thema sein soll.

These 1:

Am Anfang war “Citizen Science”. Es gibt auch heute jede Menge Wissen und Wissensproduktion außerhalb der akademischen Wissenschaften. Dieses Wissen zu erschließen kann gesellschaftlich von großem Nutzen sein.

“Citizen Science” als Grundlage für automatisierte Wissensproduktion.

Was also soll dieses neue Label “Citizen Science”? Wer meint was damit? Und zu welcher Form der Wissenschaft wird das führen?

Dem Positionspapier des Directorate-General for Research and Innovation der Europäischen Kommision von 2016 wird allen Überlegungen ein Vorwort ihres damaligen Präsidenten, Jean-Claude Juncker, vorangestellt, das mit den Worten beginnt: “Research and innovation create investment opportunities” [EU, 2016, S.5]. Um dies und nichts anderes geht es. Das Problem, um das in diesem Bericht alles kreist, ist die Tatsache, dass Europa a) in Sachen Wissenschaft weltweit nicht an der Spitze steht und b) die zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht schnell genug und nicht in für die Autoren (men only) ausreichendem Maße in Geld umwandeln kann. Die vorgeschlagene Lösung des Problems: Forschung standardisieren und damit für Startups leicht nutzbar machen. Dass damit gleichzeitig ein Heer unbezahlter Mitarbeiter*innen rekrutiert wird, das teure akademische oder unternehmerische Feldforschung zunehmend überflüssig machen könnte, ist demgegenüber wahrscheinlich nur ein angenehmer Nebeneffekt.

Ähnlich wie die Verlagerung von bezahlter Care-Arbeit auf das Ehrenamt, könnte diese Strategie auch im Bereich der Wissenschaften funktionieren, weil es die Menschen bei ihrem Wunsch nach Anerkennung und nach sinnvoller Beschäftigung packt.

Unter “Citizen Science” und den als solchen öffentlich geförderten Projekten sind also mit der EU-Strategie solche zu verstehen, die Bürger*innen jenseits des etablierten Wissenschaftsbetriebs die Möglichkeit zur Beteiligung bieten, und die am Ende standardisierte, d.h. direkt für die ökonomische Verwertung aufbereitete Daten liefern. Die Anforderungen an die entsprechende Wissensproduktion werden dabei ausgerechnet unter dem Label FAIR („findable, accessible, interoperable and reusable“) zusammengefasst.

Diese Forderungen sind mit Hilfe aktueller Technologien leicht umzusetzen. Sehen wir uns die Projekte an, die auf der deutschen Citizen Science Plattform „Bürger schaffen Wissen“ aufgelistet werden, ist vor diesem Hintergrund nicht verwunderlich, dass die Teilnahme meist über Apps oder Online-Formulare erfolgt.

Wo dies ausschließlich der Fall ist, finden gesellschaftsrelevante und gemeinschaftsbildende Effekte, mit denen „Citizen Science“ oft verbunden wird, überhaupt nicht mehr statt [vgl. Kinchy und Kimura, 2016].

Ein typisches „Citizen Science“-Projekt im Bereich der Pilzkunde, ist der „Pilzfinder“ der Universität Wien . Ein ähnliches Projekt gibt es in Deutschland , dort wird jedoch nicht ausdrücklich auf den Begriff „Citizen Science“ Bezug genommen.

Als Projektziele werden in beiden Fällen zwar Kartierung, Entdeckung neuer Arten, und ein Monitoring des Klimawandels genannt. Aber Mitmachen heißt letztlich Datensammeln. Die angebotenen Apps und Online-Formulare sorgen für die nötige Standardisierung und versehen Kamera-Aufnahmen gleich mit zuverlässigen GPS-Koordinaten und dem genauen Zeitpunkt der Aufnahme, und wer weiß, mit was für Daten aus dem Smartphone noch (aber ich will jetzt hier nicht über Datenschutz und Privatheit reden). Bei “Citizen Science”-Projekten in anderen Bereichen ist es genauso. Ambitionierte Bürger*innen können in ähnlicher Weise Wildtiere in der Stadt, Vogelstimmen, Insektenbilder und vieles mehr aufnehmen und verschicken.

Die so gesammelten und standardisierten Daten können genutzt werden, um Software zu trainieren. Dabei gilt: Je mehr Daten, desto besser “lernt” die Maschine.

Die Ergebnisse dieser Art des Lernens, also das, was “künstliche Intelligenz” am Ende hervorbringt, ist Mustererkennung. Dahinter stehen oft sehr komplexe mathematische Funktionen, aber nur selten in Worte fassbare und damit nachvollziehbare und hinterfragbare Erkenntnisse. Funktionieren tut dies allerdings häufig sehr gut. (Z.b. im Bereich der Spracherkennung. Früher hat die Linguistik nach den universellen Regeln zur formalen Analyse von Sprache gesucht, bis Google und andere, die über den nötigen Datenkorpus verfügten, mit ihren auf Wahrscheinlichkeitsrechnung basierenden Algorithmen in kürzester Zeit viel bessere Ergebnisse vorlegten).

Heute werden Computerprogramme noch zum allergrößten Teil von Menschen geschrieben. Aber schon wird daran geforscht, selbst die Programmierung zu automatisieren. Mit den online verfügbaren riesigen Mengen an Quellcode (Open Source sei Dank) werden Maschinen trainiert mit dem Ziel, auch Software künftig maschinell zu entwicklen. Auf dieselbe Art könnte sich auch wissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung automatisieren lassen. Doch zu welchem Preis?

Cathy O‘Neill hat in ihrem Buch „Weapons of Math Destruction“ [O’Neill, 2016] ausführlich dargelegt, wo die gesellschaftlichen und erkenntnistheoretischen Gefahren maschinellen Lernens liegen: in der möglichen Perpetuierung von Vor- und Fehlurteilen, in der Verschleierung eben dieser, in einem zunehmenden Verlust von Transparenz und demokratischen Einflussmöglichkeiten.

These 2:

Hinter “Citizen Science” steht in der EU in erster Linie ein ökonomisch motiviertes Datensammlungsprojekt.

These 3:

Die Sammlung immer größerer Mengen standardisierter – im EU-Sprech „FAIRer“ – Daten ist zugleich die Voraussetzung für die Automatisierung von Wissensproduktion.

These 4:

In Zukunft werden nicht mehr Menschen darüber bestimmen, was für Erkenntnisse aus Daten generiert werden. Nur noch wenige Menschen werden diese Erkenntnisse verstehen, hinterfragen und beurteilen können.

These 5:

Damit ist „Citizen Science“ letztlich ein Angriff auf Transparenz und das Gegenteil von einer Demokratisierung der Wissenschaften.

Anderes Wissen ist möglich und nötig.

Pilzesammeln als besseres Modell für die Betrachtung der Welt.

Die Anthropologin Anna Lowenhaupt Tsing hat in ihrem wunderbaren, der Philosophin Donna Haraway gewidmeten Aufsatz “Mushrooms as Companion Species” [Tsing, 2012] eine ganz andere Art von Erkenntnisprozess geschildert, der das Finden von Pilzen begleiten kann. Dieser Erkenntnisprozess beginnt mit der Freude, vielleicht der Dankbarkeit über unseren Fund. Die meisten Pilze lassen sich nicht züchten, wir müssen sie suchen, und wenn wir sie dann entdecken, erleben wir die Begegnung mit ihnen oft als Geschenk. Pilze sind kein Privateigentum, wir können sie nicht kaufen, um ihnen zu begegnen müssen wir sie kennenlernen. Wir machen uns mit der Umgebung vertraut, in der Hoffnung, sie das nächste Mal noch gezielter suchen zu können, denn viele Pilze leben in Partnerschaft mit bestimmten Pflanzen, bevorzugen bestimmte Böden oder Witterungsverhältnisse.

Wer Pilze beobachtet kann auch die Auswirkungen menschlichen Handelns beobachten. Wo Getreide und anderes in Monokultur angebaut wird, wo Landwirt*innen mit stickstoffhaltigem Dünger arbeiten, wo Forstwirt*innen durch den Einsatz schwerer Maschinen den Boden verdichten, da werden Pilzfunde selten, die ökologischen Folgen unseres gesellschaftlichen Handelns spürbar. Die Bedeutung der wechselseitigen Beziehungen zwischen den Wesen, für die wir Menschen oft blind sind, kann beim Pilzesammeln ganz unmittelbar erfahren werden.

Und hier reden wir nur von den sogenannten Großpilzen, denjenigen, deren Fruchtkörper wir sehen können, nicht von den unzähligen Arten, die ungesehen in und mit uns auf diesem Planeten leben.

These 6:

Auch im Bereich der Wissenschaften bedrohen Monokultur und zunehmende Reduzierung der Artenvielfalt unsere Existenz.

These 7:

Die Beschäftigung mit Pilzen führt uns direkt über eine ego- oder anthropo-zentrische Weltsicht hinaus in Erfahrungswelten des Miteinander und der unauflöslichen Verflechtungen, die zugleich Leben und Vergehen bringen, und deren Zukunft wir nicht kennen, sondern mit-erschaffen.

Und hier käme vielleicht auch noch einmal Paul Feyerabend zum Einsatz, der ja – nicht als einziger in der Geschichte, aber unermüdlich – darauf hingewiesen hat, dass qualitative Fortschritte in den (Theoriebildungen der) Wissenschaften gerade nicht auf geflissentlich befolgten Regeln und Standards, sondern auf dem Bruch mit der herrschenden Norm, dem plötzlichen Wechsel der Gangart und der Entdeckung radikal anderer Sichtweisen beruhen [Feyerabend, 1980]. Oder, wie Pilzsammler*innen sagen würden: spannend wird es jenseits der bekannten Wege, da wo niemand vor uns war, in den realen, mit allen Sinnen erfahrbaren, unermesslichen Verflechtungen des Lebens.

Literatur

Directorate-General for Research and Innovation (European Commission): Open Innovation, Open Science, Open to the World: a Vision for Europe, 2016.

Paul Feyerabend: Erkenntnis für freie Menschen, 1980.

Aya H. Kimura und Abby J. Kinchy : Citizen Science: Probing the Virtues and Contexts of Participatory Research, 2016.

Cathy O’Neil: Weapons of Math Destruction: How Big Data Increases Inequality and Threatens Democracy. USA, 2016 .

Anna Tsing: Unruly Edges: Mushrooms as Companion Species. Department of Anthropology, University of California, Santa Cruz, USA, 2012. (Online unter http://tsingmushrooms.blogspot.com/, abgerufen am 23.7.2019)

Hilfreiche Formen des Denkens

Als unerwartet inspirierend erweist sich gerade ein Buch, das ich eher zufällig beim Stöbern in der Onleihe gefunden habe: „Denken wie Einstein“ von Theresa Bäuerlein und Shai Tubali. Ohne sie explizit zu stellen, beantwortet das Buch wichtige Fragen zum Zustand der Demokratie im Zeitalter von Copy-Paste-Kommunikation und Kurznachrichten, Social Media und automatisiertem Lernen.

Die Frage, die sich die Autor*innen stellen, lautet aber zunächst: Was unterscheidet das Denken von Leuten, die für bekannte Probleme geniale Lösungen gefunden haben, vom Denken der vielen anderen, die daran gescheitert sind? Was können wir von Ihnen lernen?

Exemplarisch werden hierfür 10 Persönlichkeiten betrachtet, die als herausragende Denker*innen gelten.

Die folgenden Zitate sind als Notizen fürs eigene Weiterdenken gedacht und sollen gleichzeitig einen Eindruck davon vermitteln, was Theresa Bäuerlein und Shai Tubali herausarbeiten wollen.

So geht es zum Beispiel im Abschnitt über Albert Einstein vor allem um die Begrenztheit sprachlichen Denkens:

Entdeckungen setzen die Bereitschaft voraus, dass der Entdecker eine Wahrheit akzeptieren kann, die außerhalb bereits bekannten und vertrauten Wissens liegt. (S.18)

Das sprachliche Denken kreiert erst allerlei Kategorien in der Realität und verfängt sich dann in ihnen. (S.35)

Es gibt mindestens vier nicht-sprachliche Mittel, von denen Einstein ausführlich Gebrauch machte: …die Musik, …Phantasie und Visualisierung,… Meditation und Intuition… (S.38).

Die Beschäftigung mit Friedrich Nietzsche führt zu einer Warnung vor Bequemlichkeit:

Die Bequemlichkeit des bereits Bekannten lässt sich nicht leicht von Wahrheit unterscheiden. Kognitive Leichtigkeit (Anm.: ein Begriff von Daniel Kahnemann, immerhin selbst Nobelpreisträger) bestimmt, dass etwas wahr ist, wenn’s sich ‚wahr anfühlt‘, ‚gut anfühlt‘ und ‚mühelos anfühlt‘. (S.58)

Das ist selbstverständlich

…gefährlich, da unser Denken dann eine ‚Wahrheit‘ will, die in Wirklichkeit nur ein demütiger Diener des emotionalen Zustands ist, den wir haben möchten, entsprechend machen wir horrende Fehler in unseren Urteilen und Voraussagen. Nietzsche hatte den Verdacht, dass das Bewertungssystem des Menschen so funktionierte, und Kahnemanns Forschung bestätigt es. … wenn man glauben will, dass eine Schlussfolgerung richtig ist – und man wird es glauben wollen, wenn sich das gut anfühlt -, dann glaubt man auch jedem Argument, das sie stützt, selbst wenn das Argument schlecht ist. (S.59)

Nietzsche wehrte sich sein Leben lang gegen diese Form der Bequemlichkeit und schrieb bereits in jungen Jahren seiner Schwester:

„Willst du Seelenruhe und Glück erstreben, nun so glaube, willst du ein Jünger der Wahrheit sein, so forsche.“ (Zitiert nach S. 47)

Der Preis dafür ist Unbequemlichkeit, Arbeit, und leider bei uns allzu oft, wie auch bei Nietzsche, Ausgrenzung und Einsamkeit.

Sehr interessant fand ich auch den Abschnitt über Barbara McClintock. Hier geht es vor allem ums Zuhören und darum, Störungen und Abweichungen von der Regel ganz besonders willkommen zu heißen.

Die Biologen hofften … auf eine statische, leichter zu verstehende DNA. McClintocks Arbeit dagegen zeigte ein lebhaftes und unberechenbares System auf: nicht nur die DNA wirkte auf die Zelle ein, Elemente der Zelle könnten auch die DNA beeinflussen. Die Gene lagen nicht einfach ruhig und unverrückbar da, sondern konnten sich spontan von einer Seite zur nächsten bewegen, sogar von einem Chromosom zum nächsten, und dabei ständig neue Impulse mitbringen und die genetische Ordnung neu strukturieren. (S.83)

‚Hasty Generalizations‘ passieren immer dann, wenn man anhand begrenzter Erfahrungen eine Theorie oder ein Modell entwickelt. Man zieht dann Schlüsse, die nicht alle Variablen berücksichtigen, aber den Anspruch erheben, ein Phänomen in seiner Gesamtheit zu beschreiben. (S.87)

McClintocks Denkart könnte uns lehren, dass eine statistische Abweichung mindestens genauso viel Erkenntnisgewinn bringen kann wie statistische Genauigkeit. (S.90)

Für sie gab es überhaupt keine Abweichungen. Was wir uns als abnormales Verhalten eines Organismus vorstellen, war für sie ein Hinweis auf eine höhere und komplexere Ordnung, die einfach noch nicht verstanden wurde. (S.76)

Organisches Denken besitzt eine Qualität des Zuhörens. (S.78)

Zu guter Letzt sei hier noch der Teil um Hannah Arendt erwähnt. Hier steht natürlich der Appell an die Verantwortung der/des Einzelnen im Vordergrund und die Frage danach, was totalitäre Systeme möglich macht. Die „Banalität des Bösen“ verweist nämlich wieder auf Denkfaulheit, stellt deren Fatalität in einen gesellschaftlichen Kontext, namentlich in den Kontext von Holocaust und Totalitarismus.

Einer der hartnäckigsten kognitiven Fehler des menschlichen Gehirns ist der Glaube, dass eine Aussage oder eine Erfahrung, die sich immer wiederholt, wahr sein muss. In seinen Anfängen ist das fast schon lustig, man nennt es dann ‚Attentional Bias’… Der Effekt aber, der wohl am besten Arendts tiefste Sorge beschreibt, ist der ‚Bandwagon-‚ oder ‚Mitläufereffekt’… Je mehr Menschen eine bestimmte Sache tun oder glauben, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch andere das tun werden. Sie würden auf die gleiche Weise handeln, egal, was sie selbst glauben oder welche eigenen Informationen sie haben, diese würden sie ignorieren oder sich darüber hinwegsetzen…(S.193)

Auf einer tieferen Ebene erkannt Arendt, dass der Totalitarismus ein anti-politischer Prozess ist, der dazu führt, dass alles Denken aufhört. Dies kann auch dann passieren, wenn Menschen ohne jeden Zwang von außen in einen Zustand der Gedankenlosigkeit verfallen und politischer Beteiligung aus dem Weg gehen. (S.184)

Weitere Kapitel befassen sich mit Sigmund Freud, Leonardo da Vinci, Sokrates, Charles Darwin, Jiddu Krishnamurti und Giordano Bruno.

Ich finde, dieses Buch verdient es, gelesen, verschenkt und weiterempfohlen zu werden: „Denken wie Einstein“ von Theresa Bäuerlein und Shai Tubali. Erschienen bereits 2015.

Außerdem hier noch der Link zu „Schnelles Denken – langsames Denken“ von Daniel Kahnemann, dessen Untersuchungen einiges von dem, was Theresa Bäuerlein und Shai Tubali zusammengetragen haben, durch aktuelle psychologische Forschung untermauern.

Herzlichen Glückwunsch, Olga Tokarczuk!

Ich freue mich, dass Olga Tokarczuk gerade den Literaturnobelpreis 2018 zugesprochen bekommen hat! Es ist eine ganze Weile her, dass ich ihren Roman “Der Gesang der Fledermäuse“ gelesen – fast möchte ich sagen: erlebt – habe. Eine düstere Geschichte mit einer alles andere als Mainstream-kompatiblen Protagonist in: einer älteren und wohl kauzig erscheinenden Frau, die freiwillig alleine im Wald lebt und sich eher den Tieren als jagenden Männern verbunden fühlt. Schon allein das hat mich damals dauerhaft gefreut! Spannend und gut geschrieben, war die ganze Lektüre ein echter Genuss. Einziger Wermutstropfen: der Schluss, den ich mir von Herzen anders gewünscht hätte.

Vielleicht lohnt es sich, den Roman nochmal zu lesen. Auf jeden Fall ein Tipp, falls ihr ihn noch gar nicht kennt: Olga Tokarczuk, Der Gesang der Fledermäuse. Übersetzt von Doreen Daume. Zuerst erschienen 2011.

Ich bin Mutter – Filmkritik

I am Mother…. Dieser Film, der im August in Deutschland anlaufen soll und gestern in der Preview lief, erfüllt immerhin ganz klar den Allison-Bechdel-Test. Mutter, Tochter, eine Fremde und die Jungfrau Maria, alles was wichtig ist in diesem Film wird unter Frauen verhandelt. Ansonsten gibt es aber leider nicht viel Neues.

Fünf Menschenleben hängen von einer Organtransplantation ab, ein weiterer Mensch kommt ins Krankenhaus, er hat vielleicht sowieso nicht mehr lange zu leben und mit seinen Organen könnten die fünf anderen gerettet werden. Du bist dieser sechste Mensch, und du bist die Ärztin. Was würdest du tun?

Es gibt keine Antwort auf diese Frage im Film. Aber geprüft wird auf Sicherheit oder Unsicherheit im Leben. Zu vermuten: Sicherheit ist besser als Unsicherheit. Und wer sicher ist, nimmt sich das Recht, im Namen des sicheren Guten andere für dieses Gute umzubringen. So wie die Mutter, in diesem Film ein Android mit sanfter weiblicher Stimme.

Doch ein Mensch, in diesem Fall die Tochter, wird allen Erziehungsversuchen zum Trotz irgendwann erwachsen, und will eigene Entscheidungen treffen. Sie will alles wissen, was zu ihrer Welt gehört, und nicht nur ausgewählte Ausschnitte davon kennenlernen. Je mehr ihr vorenthalten wird, desto interessanter ist das Andere. Und die Tatsache, dass ihr etwas vorenthalten wird, zerreisst das Vertrauen, das sie bis dahin an ihre Mutter band.

Kein Spoiler, aber die Welt draußen ist natürlich auch kein Ponyhof…

… am Ende bleibt das Ganze aber eher ein Coming Of Age Film vor SF-Kulisse als ein Action Drama oder gar ein ernstzunehmender, inhaltlich neuer Beitrag zum Genre. Schade!

Die Veränderung, die du dir wünschst

Was, wenn an dem Ort, den du liebst, Aliens landen würden, die alle in das verwandeln könnten, was sie gern wären?

Würde sich die Natur rächen für das, was wir Menschen ihr angetan haben? Wie lange würde es dauern, bis Rache und Gewalt sich ausgetobt hätten? Gäbe es ein Danach? Würde alles ins Chaos stürzen?

Die in den USA geborene Autorin Nnedi Okorafor, deren Eltern aus Nigeria sind, hat dieses Szenario in ihre Lieblingsstadt Lagos gelegt und mit Hilfe einer Spinne einen Comic-haften Roman daraus gewoben: Lagune, erschienen 2016 im Cross-Culture-Verlag.

Insgesamt ein starkes und inspirierendes Buch, das das, was ist, nicht beschönigt, aber dann alles an Fantasie, Superheld*innenkräften und Explizitheit aufbietet, um es zu überwinden. Gewalt gegen Frauen wird bestraft – und die Gewalt gegen LGBTTI* hoffentlich eines Tages auch. Betrug, Korruption und Verbrechen gegen die Umwelt – nichts kann bleiben, wie es ist. Die fremden Wesen sind vor allem eins: Veränderung.

Nnedi Okorafor erzählt aus einer klar nicht-männerdominanten Perspektive, womit ich folgendes meine:

  • Eine Frau als Protagonistin – gleichberechtigt neben Männern, die Gewalt gegen Frauen klar ablehnen. Andere Männer sind keine Sekunde lang Sympathieträger.
  • Die Botschafterin der Aliens erscheint (meist) in Gestalt einer Frau.
  • Auch weibliche Nebenfiguren haben eigene Geschichten und ein eigenes Standing.
  • Besondere Lebensbedingungen von Frauen werden erkannt und benannt.
  • Von der Norm abweichende und auch nicht-menschliche Wesen kommen als Leidens- und entscheidungsfähige Subjekte vor, und die Gewalt, der sie aktuell in der (hier nigerianischen) Gesellschaft ausgesetzt sind, als brutal und ignorant erlebbar.

So könnten natürlich auch Menschen schreiben, die sich nicht als Frau definieren – sie tun es aber leider immer noch VIEL zu selten.

Nnedi Okorafor: Lagune. Cross Cult Verlag, 2016.

Die Entdeckung dieses Buchs verdanke ich Marion und ihrem Blog schiefgelesen.net . Für solche Anregungen lese und schreibe ich Blogs. Folgt uns und gebt weiter, was ihr gut findet, damit wir auch morgen noch Bücher lesen können, die es nicht auf den Wühltisch bei Thalia schaffen!

Smart Houses, Smart Cars und eine etwas unsmarte Geschichte

Immer neugierig, was es abseits des Mainstreams zu lesen gibt, habe ich meinem Lesekreis das Buch Adrian oder die unzählbaren Dinge vorgeschlagen. Die Lektüre war für uns alle dann aber leider eher mühsam als begeisternd. Schade, denn die Idee, die die österreichische Autorin Angelika Stallhofer da hatte, war vielversprechend.

Das Setting, ein Smart Home, das uns dazu gebracht hatte, dem Roman ein zeitgemäßes Thema zu unterstellen, blieb jedoch nur Staffage und Klischee (Symbol für Reglementierung, vorgegaukelte Sicherheit, Aussparung alles Lebendigen – und der Gegenpol natürlich: die Künstlerin, die mit IT und Technik nichts am Hut hat – gähn…).

Dabei steckt in der ganzen Debatte über “smarte“ Technologien viel mehr Potenzial, viel mehr Fragen, über die wir uns dringend unterhalten sollten. Denn das Risiko liegt vor allem da, wo uns von Maschinen Entscheidungen abgenommen werden. Mit diesem Thema setzt sich zum Beispiel Cathy O’Neil auseinander, die ich bereits in meinem Alexa Beitrag erwähnt habe.

Eine andere Möglichkeit, sich mit der Komplexität dieser Fragestellung zu befassen, bietet die Moralmaschine des MIT. Auf einer Webseite wird dort anhand einer Hand voll von Szenarien immer wieder die Frage gestellt: wie würden Sie entscheiden? Zb. Wie sollte ein selbst fahrendes Auto entscheiden, wenn es vor der Wahl steht, entweder zwei Omas oder eine Mutter mit Kind zu überfahren . Interessant ist dabei vor allem, dass deutlich wird, wie weit Maschinen künftig in unser Leben eingreifen werden. In smarten Häusern, smarten Autos, smarten Städten.

Von all dem war im Roman leider nicht die Rede. Toll fanden wir vor allem die liebevolle Gestaltung des gebundenen Buchs: auf dem Einband Botticellis Venus, die ersten Seiten und die Überschriften kunstvoll verziert. Was jedoch zum Inhalt, dem verzweifelten Stammeln eines minder begabten Werbetexters inmitten einer Schaffens- und Lebenskrise kaum passt. Ansonsten ist zur Sprache des Romans noch zu sagen, dass mit sehr vielen Bildern und stellenweise komplexen Bezügen gearbeitet wird, wobei die Bezüge manchmal verwirren und die Bilder den Text mitunter überfrachten. Stattdessen hätten wir uns in der Geschichte lieber etwas mehr Dynamik gewünscht. Room for improvement, aber einen Versuch war’s wert!

Beitrag ohne Titel (wie ein Roman ohne U)

Ich weiß leider wirklich nicht mehr, was mich dazu bewogen hat, dieses Buch zu lesen. Roman ohne U von Judith W. Taschler, erzählt eigentlich die Geschichte einer Frau, die zu früh und ungewollt schwanger wurde, dann aber doch mit dem Mann zusammen bleibt. Bis die sich nach vier Kindern die Frage stellt, ob es das schon gewesen sein soll. Parallel dazu entdeckt sie, die nebenbei als Biografin arbeitet, die Lebensgeschichte eines Mannes, der kurz nach dem zweiten Weltkrieg aufgrund eines dummer Jungen Streichs für zwei Jahrzehnte in russischen Strafgefangenenlagern landete. Und natürlich hängt am Ende alles irgendwie zusammen.

Überzeugt hat mich das Buch nicht. Die Charaktere bleiben sehr flach, teilweise richtig klischeehaft, und heterosexuelle Familiengeschichten sind ja eigentlich eh nicht mein Ding. Es war einfach, aber nicht wirklich schön zu lesen: so manche Geschichte aus den sibirischen Arbeitslagern im Uranabbau waren plastisch genug, um mir den ruhigen Schlaf zu rauben.

Für mich zugleich der einzige Punkt von Interesse. Auch in meiner Familie gab es den Opa, der nach dem Krieg in russischer Gefangenschaft war. Wir haben nie darüber geredet, auch nie nachgefragt. Irgendwo stand dahinter wohl auch der Gedanke, als Soldat des Nazi-Kriegs werde er es vielleicht verdient haben. (Ein Gedanke, für den ich mich im Nachhinein schäme. Fair – und mutiger – wäre gewesen, ihn zu fragen).

Aber wenn ich jetzt durch die Lektüre dieses Buches auch nur den Hauch einer Ahnung bekommen habe, was das Leben im russischen Gulag bedeutet hat, und zwar für jeden, egal, aus welchem Grund er oder sie dort hin geraten ist, wird mir einmal mehr bewusst, was für ein wahnsinniges Glück ich doch habe, so fern von Krieg und massiver, unentrinnbarer Gewalt leben zu dürfen. Und auf der anderen Seite: wie viel Grausamkeit es gibt auf der Welt. Gab und immer noch gibt.

Wo kommen nur überall auf der Welt immer wieder so viele – hauptsächlich Männer – her, die es braucht, um derartige Systeme von Grausamkeit und Erniedrigung und Tod aufrechtzuerhalten? 230.000 Menschen verrichteten über das Land verteilt zeitgleich den Dienst als Wachpersonal. Waren also – über den Grad der Freiwilligkeit müssten wir vielleicht noch streiten – Teil dieses brutalen Repressions- und Produktionsapparates.

Weil ich tatsächlich wenig über das System der Arbeit und Straflager in Russland wusste, habe ich etwas nachgelesen. Es gab sie schon lange, auch vor der Oktoberrevolution, und vor dem Zweiten Weltkrieg. Doch allein in den Jahren danach waren bis in die 1950er Jahre hinein Millionen Menschen in diesen Arbeitslagern gefangen: Kriegsgefangene, politisch missliebige Personen und deren Angehörige, Schwerstkriminelle und wohl auch einige wegen kleinerer Vergehen oder zu Unrecht Verurteilte. Nach dem Tod Stalins ging es bis zum Ende der Sowjetunion in abgemilderter Form weiter. Insgesamt waren (laut Wikipedia) zwischen 28 und 32 Millionen Menschen von Verbannung und Inhaftierung in russischen Gulags betroffen.

Neben der Entfernung dieser Menschen aus den Augen der Gesellschaft hatten die Gulags immer auch wirtschaftliche Bedeutung: Durch die in ihnen – unter entwürdigenden und lebensfeindlichen Bedingungen – verrichtete Zwangsarbeit wurden in entlegenen Gebieten Bodenschätze und neue Siedlungsgebiete erschlossen, infrastrukturelle Großprojekte realisiert, wie Staudämme, Kraftwerke, und Eisenbahnstrecken. Der gesamte Uranabbau der Sowjetunion wurde, wie in dem Roman ohne U sehr plastisch geschildert, durch Gulag-Häftlinge erbracht, Grundlage für Atomkraftwerke und atomare Aufrüstung.

Ich würde an dieser Stelle gerne mal über das Thema Repression debattieren. Welche Strafen sind gerechtfertigt? Wollen oder müssen wir überhaupt strafen? Wer oder was gibt uns das Recht dazu? Und, falls ja, welche Art von Strafen halten wir für menschlich vertretbar? Ändert sich diese Einschätzung mit der Art der zu bestrafenden Tat?

Dürfen wir unmenschlich werden, wenn wir finden, dass andere es zuerst waren? Ich glaube nein. Du hast angefangen war noch nie ein gutes Argument dafür, jemand anderem Schlimmes anzutun.

Oder was denkt ihr?

MaidaVale – schon jetzt meine Lieblingsband 2019

Klingt wie Musik aus den späten 1960er Jahren, wilder psychedelisch angehauchter Gitarrenrock, ein bißchen Jimi Hendrix, aber: mit einer irren weiblichen Stimme! Und ein Text, der zur Hymne taugt: If you want smoke, be the Fire!

Schon da war ich verliebt. Dann dieses Retro-gestylte, aber moderne Video gesehen und festgestellt, dass alle in der Band Frauen sind. 4 Musikerinnen aus Schweden, die einfach Musik machen wollen und derzeit mit ihrem zweiten Album „Madness is Too Pure“ auf Tour sind.

Ihr erstes Album heißt „Tales of the Wicked West“, auch schon ein lustiger Titel. Ich vermute, die haben auch noch mehr als Musik im Kopf, kann aber im Netz wenig Infos finden. Poserinnen sind sie also schonmal nicht.

Dann und wann ein bißchen hippiesk, und damit so manchem in der Metal-Szene wohl erstmal suspekt, überzeugen MaidaVale mit ihren Grooves allen Vorurteilen zum Trotz auch Jungs. Was gut ist, denn bislang konnten sie eher schlecht als recht von der Musik leben.

Lasst uns also ihre Konzerte füllen! Hier sind die Tourdaten: https://www.bandsintown.com/a/5627476-maidavale

Frauen – Bücher – Highlights 2018

Kerstin Herbert hat in ihrem Blog zu einer interessanten Blogparade aufgerufen, an der ich mich gerne beteilige. Mit „diesem Jahr“ ist darin das Jahr 2018 gemeint 😉

  • Wie hoch ist Deine „Frauenquote“? Wieviele Bücher hast Du in diesem Jahr gelesen und/oder rezensiert? Wieviele davon wurden von Autorinnen verfasst?

Ich hatte 2018 einen Vorsatz, nämlich, ausschließlich Bücher von Frauen zu lesen. Frauen brauchen einfach mehr Leser*innen! Zwei oder drei Mal habe ich heimlich eine Ausnahme gemacht, aber „rezensiert“ (naja, eher in meinem Blog etwas darüber mitgeteilt) habe ich tatsächlich 100% Literatur weiblicher Urheber*innenschaft. Ich habe dafür mehr recherchieren müssen, aber wurde oft mit so tollen Entdeckungen belohnt, dass ich das weiter so halten werde. Auch 2019 werden hier ausschließlich Frauen promotet.

  • Welches Buch einer Autorin ist Dein diesjähriges Lesehighlight? (Warum?)

Wenn ich schummeln darf, fällt mir als erstes „Die Kieferninseln“ von Marion Poschmann ein. Das hab ich allerdings schon in den letzten Tagen von 2017 gelesen – und zwar in einer ziemlich durchwachten Nacht im Krankenhaus, frisch operiert, mit ständig seufzenden und stöhnenden Mitpatientinnen im Zimmer. „Die Kieferninseln“ haben mich gerettet, und ich musste trotz all dem immer mal wieder lachen – ein echtes Highlight!

Wenn ich nicht schummeln darf, wird es sehr schwer, denn ich hab 2018 einige Bücher sehr genossen, jeweils zu ihrer Zeit. Ich liebe ja Blicke über den Tellerrand, und als solches fand ich Noemie Schneider „Das wissen wir schon“ ziemlich klasse. Der Tellerrand in diesem Fall: meine eigene Generation. Erhellend, die mal aus einer anderen Perspektive anschauen zu können!

In der Kategorie „Skurril und hintergründig“ fand ich unter allem, was ich 2018 gelesen habe, eindeutig Gianna Molinari am besten.

Sachbuch: Cindy Engel „Wild Health – Gesundheit aus der Wildnis“, ein sehr gut geschriebenes Buch über die Beobachtung von Selbstmediktion bei Tieren, dem ich allerdings bislang noch keinen Blogbeitrag gewidmet habe.

Und meinen persönlichen Krimipreis vergebe ich zu gleichen Teilen an Zoe Beck „Die Lieferantin“ und an Katherine V. Forrest „Wüstenfeuer“.

  • Welche  weibliche Lebensgeschichte bzw. Biografie hat Dich in diesem Jahr besonders beeindruckt (und warum?)

Hier möchte ich zwei Bücher nennen: Jacqueline Woodsons „Ein anderes Brooklyn“ und Deborah Ellis‘ „Wenn der Mond am Himmel steht, denk ich an dich“. Eigentlich beides eher Coming-of-Age-Geschichten, aber mal ehrlich: ist das nicht der Grundbaustein und das Interessanteste an jeder Biographie?

Jacqueline Woodson erzählt, wie es war, in den 1970er Jahren als Schwarze Frau in Brooklyn groß zu werden – inmitten von Drogen, Armut, Rassismus, Sexismus und Gewalt. Wer verstehen will, wozu in so einer Welt eine möglichst große Bandbreite starker weiblicher Role Models und Identifikationsfiguren gut ist, bekommt mit der Lektüre von „Ein anders Brooklyn“ eine gute Vorstellung.

Deborah Ellis arbeitet in Toronto als Psychotherapeutin und engagiert sich unter anderem für geflüchtete Frauen. In „Wenn der Mond am Himmel steht, denk ich an dich“ erzählt sie die auf wahren Begebenheiten beruhende Geschichte einer jungen Iranerin, die sich in eine Mitschülerin verliebt. Es ist zugleich Liebesgeschichte, Dokumentation gesellschaftlicher Verhältnisse im Iran und Pamphlet gegen die Verfolgung und Unterdrückung von Homosexualität. Einen besonderen Eindruck hat dieses Buch in mir hinterlassen, weil die Protagonistin uns einen nicht christlich und weiß, sondern islamisch geprägten Blick auf das Leben im heutigen Iran und seine Schattenseiten ermöglicht.

  • Welches Buch einer Autorin möchtest Du in 2019 unbedingt lesen?

Mein eigenes 😉