Lesbenkrimi für die nächste Italienreise

Erfahrung ist ein Kamm, den man erst bekommt, wenn einem die Haare schon ausgefallen sind. Ähnlich wie Karl Valentin ging es mir mit diesem Buch, das eine launig erzählte lesbenzentrierte Lektüre für den Urlaub in Italien hätte sein können, das ich aber erst jetzt entdeckt habe, wo wir längst wieder zurück sind.

Sarah Sajetti: Chiara, Simona und die anderen. Krug und Schadenberg, 2013.

Keine große Literatur, aber immerhin ein Lebenszeichen italienischer Lesben und ein kleiner Einblick in die Mailänder Szene.

Wüstenfeuer und Gefährliche Vergangenheit – Neue LGBTI-Krimis

Nach so viel harter Kost hätte ich jetzt gerne mal was Leichtverdauliches gelesen. Einen Krimi vielleicht, und er sollte in einer mir etwas verwandteren Welt spielen…. Mal schauen, ob unter den Neuerscheinungen bei den einschlägigen Verlagen was dabei ist…. Ha – im Querverlag ein neuer Krimi von Ria Klug – queeres, lesbisches und linkes Personal, das könnte passen! Und Krug und Schadenberg, die dieses Jahr ihr 25-jähriges Jubiläum als Verlag für lesbische Literatur feiern, haben einen neuen Krimi von Katherine Forrest herausgebracht: Wüstenfeuer. Vorweg soviel: Beide Krimis habe ich im Urlaub verschlungen – aber es ist mir nicht in beiden Fällen gut bekommen.

Katherine Forrest erzählt an Hand ihrer Ermittlerin vom Älterwerden, von Abschieden, vom Wert alter Lieben und Freundschaften, und davon, dass es nie zu spät ist, mit alten, schädlichen Gewohnheiten zu brechen, um sich selbst und anderen ein Stück näher zu kommen. Das alles, während die Suche nach ihrem plötzlich verschwundenen Ex-Kollegen unaufhaltsam auf einen nervenzerreissenden Showdown zusteuert. Ein toller Krimi, in dem lesbische Lebenswirklichkeit selbstverständlich ist. Endlich einmal kein Problem, sondern einfach Teil der Geschichte. Zusammen mit den oben genannten Themen macht ihn genau das für mich unbedingt empfehlenswert. Irgendwie eine runde Sache:

Katherine Forrest: Wüstenfeuer. Krug und Schadenberg, 2018.

Ria Klugs „Gefährliche Vergangenheit“ dagegen hat in mir eher einen wirren und unbefriedigenden Eindruck hinterlassen. Der Thriller ist in einer extremen Nischenwirklichkeit angesiedelt, nämlich den Überbleibseln der militanten Linken (Ex-RAF und Umfeld) in Berlin. Geschildert wird eine Atmosphäre, in der Geldsorgen, Misstrauen und Verrat an der Tagesordnung sind, politisch engagiert ist eigentlich niemand mehr (???). Die Konfliktlinien verlaufen zwischen dem Protagonisten Riva, der früher als Frau bei den italienischen Roten Brigaden war, und dessen unsympathischem Ex-Genossen Sandro, vor dem er auf der Flucht ist. Daneben konkurrieren noch diverse miese Charaktere aus der Szene um ein vermutetes Gelddepot aus den 1980er Jahren, von dessen Entdeckung sie sich die Lösung ihrer Probleme versprechen. Wenn man es genau nehmen will: ziemlich klischeehaft und ein bißchen an den Haaren herbeigezogen. Aber okay. Was mich dabei bei der Stange gehalten hat, war einerseits die Frage, was es wohl mit der plötzlich aus dem Nichts auftauchenden blonden Retterin auf sich hat. Und andererseits die Hoffnung, dass die Wahl des Settings sich als absichtsvoll erweisen würde. Diese Hoffnung, und das ist mein Hauptkritikpunkt an diesem Buch, wurde leider vollends enttäuscht. Eine solche Absicht hätte sein können, historische oder aktuelle Ereignisse ins Gedächtnis zu rufen und neu zu beleuchten. Ein Vorbild hierfür ist Wolfgang Schorlau, der jeden seiner Krimis mit ausführlichen Recherchenachweisen und Links unterfüttert (siehe zb seine Materialien zu „Das München Komplott“). Aber vielleicht habe ich ja etwas übersehen? Wer sich selber ein Bild machen will:

Ria Klug: Gefährliche Vergangenheit. Querverlag, 2018.

Intelligente, frauenbezogene Heldinnen. Zoe Beck liefert.

Intelligente, frauenbezogene Heldinnen. Dass diese Kombination immer noch eine Ausnahme im Krimi-Sortiment und auf den Bestenlisten ist, fällt umso mehr auf, wenn eine*r einmal ein Positivbeispiel begegnet, wie bei Zoe Beck’s “Die Lieferantin“.

In diesem Roman kämpft ein von Frauen geführtes Netzwerk gegen patriarchal organisierte Drogenbosse. Und gegen eine korrupte Regierung, die durch ihre Drogenpolitik der Mafia ein Geschäftsmodell erlaubt, das keine Leichen scheut.

Der Plot ist jenseits von Legalität angesiedelt, in einer Welt, in der der Staat und seine Gesetze nurmehr den Falschen dienen. Faschistoide weiße Schlägertrupps bedrohen Andersdenkende und Andersaussehende,. Wer kann, dröhnt sich zu. Es geht nicht um die Aufklärung von Verbrechen, sondern darum, Schlimmeres zu verhindern. Und dennoch. Es gibt Menschen, und in diesem Buch sind es ausnahmslos Frauen, denen das Schicksal anderer nicht scheißegal ist. Die anderen helfen, sich politisch engagieren oder im Verborgenen dafür sorgen, dass Suchtkranke zumindest reinen Stoff erhalten.

„Die Lieferantin“ ist – schnörkellos geschrieben und erzählt – ein Page Turner, der subversiv nachwirkt. Kruden gesellschaftlichen Verhältnissen wird, vermittelt durch einen Krimiplot, eine Vision entgegengesetzt. Die Vision, dass es immer eine Alternative gibt zum Wegschauen und Stillhalten.

Wie das Ganze ausgeht, müsst ihr selber lesen.

Ich wünsche mir mehr Bücher wie dieses!

Weitere Infos zum Buch und zur Autorin auf den Verlagsseiten.

Rassismus am Roten Fluss

Muss mir erstmal Staub und Weizenspreu aus den Klamotten klopfen: Anders als die Figuren in Katie hat Cash, die Protagonistin des 2017 erschienenen Romans Am roten Fluss mich komplett in ihre Welt mitgenommen.

Cash, wie ihre Autorin Marcie Rendon Stammesangehörige der Anishinabe White Earth Nation, ist ein touhges junges Weib: mit 19 Jahren hat sie bereits gelernt, sich gegen Widerstände und Ungerechtigkeiten im Leben alleine durchzuschlagen. Den Zumutungen weiblicher Rollenbilder der Weißen hat sie sich früh entzogen, lieber hält sie mit den Kerlen mit, die sich in dieser Region der USA sämtlich als Farmarbeiter verdingen. Wir sind in den 1970er Jahren. Es riecht nach Weizen und harter Arbeit, und immer wieder auch nach abgestandenen Bieren und Rauch in den Bars, in denen Cash ihren Feierabend am Billardtisch verbringt. Country-Musik ist zu hören und ein rauer Umgangston, mal eher kumpelhaft und respektvoll, mal voller Verachtung für diese ungewöhnliche junge Frau. Mit Cash fahre ich im Pickup endlose, gerade Straßen entlang, genieße die friedlichen Momente dieser Fahrten und sehe dabei riesige, fruchtbare Anbauflächen vorüberziehen und den baumgesäumten Lauf des Roten Flusses, der das Land durchzieht und nährt. Es ist, als wäre ich tatsächlich dort gewesen.

Mich für ein paar Stunden völlig in diese mir bis dahin ganz unbekannte Welt hineinzuziehen, ist der erste große Verdienst der Autorin und des ÜbersetzerInnen-Duos (Laudan&Szelinski).

Dann wird die Leiche eines indianischen Landarbeiters gefunden und Cash von einer inneren Stimme direkt zu dessen Familie gerufen. Was sie dort erlebt, hat zu viele Parallelen zu ihrer eigenen Kindheit, als dass es sie kalt lassen könnte: Armut, Alkoholismus und eine drohende Zwangs-Inobhutnahme der Kinder. Was das bedeutet, weiß Cash aus eigener Erfahrung: den Verlust von Heimat, familiären Beziehungen und kultureller Verwurzelung, Rassismus, Misshandlungen und Ausbeutung in weißen Pflegefamilien, Einsamkeit, Einsamkeit. Das ist auch das große Thema des Romans, die Aufklärung des Mordes passiert – so empfand ich es – mehr so nebenbei.

Der zweite Aspekt, für den ich Marcie Redon also danken möchte: hier wird ein politisches Thema nachvollziehbar, nämlich welche Traumata durch die Politik der USA gegenüber der indigenen Bevölkerung über Generationen hinweg entstanden sind. Die Autorin gibt in einem Nachwort Hinweise, wo Betroffene und UnterstützerInnen weitere Informationen zum Thema finden können. Unter Donald Trump wird dies weiterhin dringend nötig sein.

Zu guter Letzt verdanke ich dem Buch die Anregung für meinen nächsten Blogartikel. Bleibt also dran!