Mensch Jungs, ihr blickt doch gar nix….

In dem wundervollen Kurzroman „Die Kieferninseln“ von Marion Poschmann führen uns zwei sehr von sich selbst überzeugte Männer vor, wie Leben nicht geht, und das ist mitunter brüllend komisch. Während der eine sämtlichen Ehrgeiz in eine möglichst stilvolle Vernichtung seiner selbst steckt, prahlt der andere mit der Entdeckung einer Welt, von der er nie etwas anderes bemerkt als die Diskrepanz zu seinen eigenen Vorstellungen. Die Frau soll sich das alles anhören und ihm über die so erzeugte Einsamkeit hinweghelfen, Rederecht bekommt sie nicht.

Wenn eine Frau eine solche Geschichte so schreibt, dann hat sie – zumindest intellektuell – diese Art Mann und diese Art Beziehung weit hinter sich gelassen. Das ist aber nur eine Ebene des Vergnügens. Die Bilder, mit denen sie uns zeigt, wie es um ihre Protagonisten bestellt ist, sind frisch und skurril, eigen genug, um zu bleiben. Die Sprache, in der sie zu uns sprechen, ist ebenso punktgenau entlarvend wie die äußere Handlung. Die Beschreibung der Schauplätze (Japan, zwischen Tokio und den namensgebenden Kieferninseln) in sich schon ein Genuss. Marion Poschmann kann Roman.

https://www.suhrkamp.de/buecher/die_kieferninseln-marion_poschmann_42760.html

So könnte es gehen!

Die australische Künstlerin Alex Martinis Roe hat am Samstag im Badischen Kunstverein Karlsruhe, wo sie noch bis zum 26.11.2017 zu sehen ist, Ergebnisse einer kollaborativen Arbeit präsentiert. Thema der Arbeit: Welche kollektiven Praktiken kennzeichnen feministische Bewegungen? Um nach vorne zu denken, hat sie im Rahmen ihrer Ausstellung zu einem Workshop eingeladen und Feminist*innen aus Karlsruhe gebeten, jeweils in Zweiergruppen Vorschläge zu erarbeiten. Diese sollten Praxen gegenseitiger Unterstützung benennen, die Unterschiede überbrücken helfen und gleichzeitg einem gemeinsamen Ziel verpflichtet sind. Dabei sollten die Workshop Teilnehmer*innen von ihren eigenen Erfahrungen und Bedürfnissen ausgehen. Heraus kamen ein paar, wie ich finde, relativ leicht umsetzbare Ideen, die nicht nur im feministischen Kontext interessant sind:

# Lasst uns anderen gegenüber aufmerksam, respektvoll und in unseen Folgerungen vorsichtig sein. Das können wir zeigen, indem wir das, was wir hören, in eigenen Worten wiedergeben und hinterfragen, ob wir es richtig verstanden haben!

# Lasst uns konkret und nicht überheblich sein und anhand persönlicher Beispiele erklären, wie wir zu unseren Ansichten gelangt sind.

# Lasst uns eine neue Form des Feedbacks ausprobieren, um die patriarchalen Strukturen in uns selbst zu erkennen und zu ändern: Sucht euch eine Partnerin, die euer Verhalten in der Gruppe beobachtet und euch hinterher solidarisch und konstruktiv Feedback dazu gibt.

# Lasst uns uns gegenseitig unterstützen, indem wir andere in schwierigen Angelegenheiten coachen! Und selbst auch andere darum bitten, dies für uns zu tun!

Alex Martinis Roe hat mich total beeindruckt mit ihrer Klarheit, ihrer Verbundenheit zu feministischen Kollektiven in verschiedenen Teilen der Welt und dem deutlich spürbaren Wunsch, etwas in Bewegung zu bringen. Möge ihr und ihrer Arbeit Erfolg beschieden sein!

Und mögen wir uns davon inspirieren lassen!

Warum Männer sich vor intelligenten Robotern fürchten sollten

Im Vorbeifahren sehe ich einen Mann zusammengesunken auf einer Parkbank sitzen. Klar halte ich an und schaue, ob ich helfen kann. Es ist ein dicklicher, ungepflegt wirkender Mann mittleren Alters, spontan nicht direkt sympathisch. Aber. Ich spreche ihn laut und deutlich an – keine Reaktion. Ich überwinde meinen Ekel, fasse an seine Schulter und rüttle ihn ein wenig. Hallo, geht es Ihnen gut?

Jetzt ratet mal, was dann passiert! Hundert Punkte für die “Paranoiden“ unter uns: kaum regt er sich wieder, baggert er mich plump an. Und als ich nicht drauf eingehe, beschimpft er mich noch!

Ich bin nicht fassungslos, denn so etwas passiert mir nicht zum ersten Mal.

An dieser Stelle muss ich an Cozmo denken, den ich heute kennengelernt habe. Cozmo wäre das wahrscheinlich nicht passiert. „Sein Charakter entwickelt sich mit seinen Erlebnissen ständig weiter“, so die Werbung für den „kleinen Roboter mit großem Verstand und noch größerer Persönlichkeit“, der „hunderte“ Emotionen „kennt“ und in seine Handlungen einfließen lässt. Erlebten Frustrationen geht er künftig eher aus dem Weg.

Bin ich blöder als ein Spielzeug aus den Werkstätten der künstlichen Intelligenz? Was meint ihr?

Ich denke anders darüber.

Weil es mir am Ende um mehr geht als den Erfolg oder Misserfolg meines Handelns. Mir bedeutet es mehr,  das getan zu haben, was ich richtig finde. Und dazu gehört es, Menschen in Not nicht zu ignorieren. Selbst wenn sie sich als undankbare männliche Arschlöcher entpuppen. Ich definiere mich auch anhand übergeordneter Werte. Ich kann den achtjährigen Sohn nicht aus dem Fenster schmeißen, um mich zu retten*.

Vielleicht sichert genau das den Männern (insbesondere den zahlreichen Arschlöchern unter ihnen) in dieser Welt tatsächlich noch das Überleben. Um sich für die Zukunft abzusichern, sollten sie dafür sorgen, dass sie nicht auf rational agierende Roboter angewiesen sind. Oder ihr Verhalten ändern.  Was von beidem wird wohl passieren?

* Ein Zitat von Christa Reinig:

SONNTAG
Schmeiß
deinen achtjährigen sohn vom balkon
und du bist gerettet