Demokratie vs Trump: Resignieren verboten

Hier geht es zum Trailer von Michael Moores neuem Film Fahrenheit 11/9, der gerade in deutschen Kinos angelaufen ist. Der Film geht der Frage nach, wie ein Mann zum Präsidenten der USA werden konnte, der in aller Öffentlichkeit rassistische, frauenverachtende Aussagen macht, ein Mann, der schulterzuckend jeden Nachweis besseren Wissens ignoriert, in einem fort Menschen beleidigt und auf jegliche Art von Fairness und Rücksichtnahme pfeift, Der Film ist äußerst sehenswert, denn die Antworten, die Moore findet, sollten auch uns hier in Europa / Deutschland eine Lehre sein, wenn wir nicht in ganz finstere Zeiten zurückfallen wollen.

Die wichtigsten Punkte in Kürze:

  • Die Quoten-/Klick-/Geldgier der Medien machen aus Skandalträgern Stars, Pop-Ikonen und Identifikationsfiguren, die schwer wieder loszuwerden sind.
  • Die Menschen, die mit einer positiven Utopie unterwegs sind, haben schon vorher das Vertrauen in die Demokratie verloren und gehen daher nicht mehr wählen. Erst das ermöglicht einen Wahlsieg von ressentimentgeladenen, populistisch auftretenden Kandidaten/Parteien – obwohl aktuelle Umfragen zeigen, dass die Mehrheit der US-Amerikaner*innen deutlich fortschrittlichere und liberalere Positionen vertritt.
  • Ehemals demokratische/linke Institutionen (Pateien, Gewerkschaften,…) haben die Interessen der Basis verraten. (Was maßgeblich zu diesem Vertrauensverlust beiträgt).
  • Die Skrupellosesten haben zusätzlich Geld und Waffen auf ihrer Seite.

Bis auf den letzten Punkt können und müssen wir diese Entwicklungen wieder umdrehen:

  • Unabhängige und faktenbasierte Medien stärken.
  • Sensationsmeldungen boykottieren (nicht klicken, nicht teilen).
  • Vom aktiven und passiven Wahlrecht Gebrauch machen.
  • Innerhalb der Gewerkschaften und anderer demokratischer Strukturen für mehr Demokratie und Transparenz kämpfen – oder neue gründen.
  • Für das, woran wir glauben, aktiv werden und gut argumentieren lernen.

Beim letzten Punkt muss ich mir an die eigene Nase fassen. Die letzten Jahre war ich es so müde, Fakten und Ereignissen hinterherzurecherchieren, wo es gefühlt eh nichts brachte: keine neuen Erkenntnisse über das System, in dem wir leben, keine sichtbare Handlungs-, geschweige denn Veränderungsoption. Mit dieser Art von Resignation muss jetzt Schluss sein. Denn ich kann mich dabei ertappen, dass ich Diskussionen mit Vertreter*innen rechtspopulistischer Positionen auch deshalb meide, weil ich fürchte, dass mir die Argumente ausgehen und ich nur noch aus dem Bauch heraus argumentieren kann. Und das fühlt sich ganz schön hilflos an.

Für Fairness und Gerechtigkeit zu sein, ist zwar ein schönes Feature, aber es muss eben auch implementiert werden. Oder, für Nicht-Informatiker*innen: Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht. Und daran sollten wir arbeiten.

Links:

https://www.weltkino.de/filme/fahrenheit-119

Die Anstalt zur Diskussion um öffentlich-rechtliche Medien in Deutschland

Wie Schüler*innen Fake news erkennen können – Medienaufklärung an Schulen

Beitrag ohne Titel (wie ein Roman ohne U)

Ich weiß leider wirklich nicht mehr, was mich dazu bewogen hat, dieses Buch zu lesen. Roman ohne U von Judith W. Taschler, erzählt eigentlich die Geschichte einer Frau, die zu früh und ungewollt schwanger wurde, dann aber doch mit dem Mann zusammen bleibt. Bis die sich nach vier Kindern die Frage stellt, ob es das schon gewesen sein soll. Parallel dazu entdeckt sie, die nebenbei als Biografin arbeitet, die Lebensgeschichte eines Mannes, der kurz nach dem zweiten Weltkrieg aufgrund eines dummer Jungen Streichs für zwei Jahrzehnte in russischen Strafgefangenenlagern landete. Und natürlich hängt am Ende alles irgendwie zusammen.

Überzeugt hat mich das Buch nicht. Die Charaktere bleiben sehr flach, teilweise richtig klischeehaft, und heterosexuelle Familiengeschichten sind ja eigentlich eh nicht mein Ding. Es war einfach, aber nicht wirklich schön zu lesen: so manche Geschichte aus den sibirischen Arbeitslagern im Uranabbau waren plastisch genug, um mir den ruhigen Schlaf zu rauben.

Für mich zugleich der einzige Punkt von Interesse. Auch in meiner Familie gab es den Opa, der nach dem Krieg in russischer Gefangenschaft war. Wir haben nie darüber geredet, auch nie nachgefragt. Irgendwo stand dahinter wohl auch der Gedanke, als Soldat des Nazi-Kriegs werde er es vielleicht verdient haben. (Ein Gedanke, für den ich mich im Nachhinein schäme. Fair – und mutiger – wäre gewesen, ihn zu fragen).

Aber wenn ich jetzt durch die Lektüre dieses Buches auch nur den Hauch einer Ahnung bekommen habe, was das Leben im russischen Gulag bedeutet hat, und zwar für jeden, egal, aus welchem Grund er oder sie dort hin geraten ist, wird mir einmal mehr bewusst, was für ein wahnsinniges Glück ich doch habe, so fern von Krieg und massiver, unentrinnbarer Gewalt leben zu dürfen. Und auf der anderen Seite: wie viel Grausamkeit es gibt auf der Welt. Gab und immer noch gibt.

Wo kommen nur überall auf der Welt immer wieder so viele – hauptsächlich Männer – her, die es braucht, um derartige Systeme von Grausamkeit und Erniedrigung und Tod aufrechtzuerhalten? 230.000 Menschen verrichteten über das Land verteilt zeitgleich den Dienst als Wachpersonal. Waren also – über den Grad der Freiwilligkeit müssten wir vielleicht noch streiten – Teil dieses brutalen Repressions- und Produktionsapparates.

Weil ich tatsächlich wenig über das System der Arbeit und Straflager in Russland wusste, habe ich etwas nachgelesen. Es gab sie schon lange, auch vor der Oktoberrevolution, und vor dem Zweiten Weltkrieg. Doch allein in den Jahren danach waren bis in die 1950er Jahre hinein Millionen Menschen in diesen Arbeitslagern gefangen: Kriegsgefangene, politisch missliebige Personen und deren Angehörige, Schwerstkriminelle und wohl auch einige wegen kleinerer Vergehen oder zu Unrecht Verurteilte. Nach dem Tod Stalins ging es bis zum Ende der Sowjetunion in abgemilderter Form weiter. Insgesamt waren (laut Wikipedia) zwischen 28 und 32 Millionen Menschen von Verbannung und Inhaftierung in russischen Gulags betroffen.

Neben der Entfernung dieser Menschen aus den Augen der Gesellschaft hatten die Gulags immer auch wirtschaftliche Bedeutung: Durch die in ihnen – unter entwürdigenden und lebensfeindlichen Bedingungen – verrichtete Zwangsarbeit wurden in entlegenen Gebieten Bodenschätze und neue Siedlungsgebiete erschlossen, infrastrukturelle Großprojekte realisiert, wie Staudämme, Kraftwerke, und Eisenbahnstrecken. Der gesamte Uranabbau der Sowjetunion wurde, wie in dem Roman ohne U sehr plastisch geschildert, durch Gulag-Häftlinge erbracht, Grundlage für Atomkraftwerke und atomare Aufrüstung.

Ich würde an dieser Stelle gerne mal über das Thema Repression debattieren. Welche Strafen sind gerechtfertigt? Wollen oder müssen wir überhaupt strafen? Wer oder was gibt uns das Recht dazu? Und, falls ja, welche Art von Strafen halten wir für menschlich vertretbar? Ändert sich diese Einschätzung mit der Art der zu bestrafenden Tat?

Dürfen wir unmenschlich werden, wenn wir finden, dass andere es zuerst waren? Ich glaube nein. Du hast angefangen war noch nie ein gutes Argument dafür, jemand anderem Schlimmes anzutun.

Oder was denkt ihr?

MaidaVale – schon jetzt meine Lieblingsband 2019

Klingt wie Musik aus den späten 1960er Jahren, wilder psychedelisch angehauchter Gitarrenrock, ein bißchen Jimi Hendrix, aber: mit einer irren weiblichen Stimme! Und ein Text, der zur Hymne taugt: If you want smoke, be the Fire!

Schon da war ich verliebt. Dann dieses Retro-gestylte, aber moderne Video gesehen und festgestellt, dass alle in der Band Frauen sind. 4 Musikerinnen aus Schweden, die einfach Musik machen wollen und derzeit mit ihrem zweiten Album „Madness is Too Pure“ auf Tour sind.

Ihr erstes Album heißt „Tales of the Wicked West“, auch schon ein lustiger Titel. Ich vermute, die haben auch noch mehr als Musik im Kopf, kann aber im Netz wenig Infos finden. Poserinnen sind sie also schonmal nicht.

Dann und wann ein bißchen hippiesk, und damit so manchem in der Metal-Szene wohl erstmal suspekt, überzeugen MaidaVale mit ihren Grooves allen Vorurteilen zum Trotz auch Jungs. Was gut ist, denn bislang konnten sie eher schlecht als recht von der Musik leben.

Lasst uns also ihre Konzerte füllen! Hier sind die Tourdaten: https://www.bandsintown.com/a/5627476-maidavale

Frauen – Bücher – Highlights 2018

Kerstin Herbert hat in ihrem Blog zu einer interessanten Blogparade aufgerufen, an der ich mich gerne beteilige. Mit „diesem Jahr“ ist darin das Jahr 2018 gemeint 😉

  • Wie hoch ist Deine „Frauenquote“? Wieviele Bücher hast Du in diesem Jahr gelesen und/oder rezensiert? Wieviele davon wurden von Autorinnen verfasst?

Ich hatte 2018 einen Vorsatz, nämlich, ausschließlich Bücher von Frauen zu lesen. Frauen brauchen einfach mehr Leser*innen! Zwei oder drei Mal habe ich heimlich eine Ausnahme gemacht, aber „rezensiert“ (naja, eher in meinem Blog etwas darüber mitgeteilt) habe ich tatsächlich 100% Literatur weiblicher Urheber*innenschaft. Ich habe dafür mehr recherchieren müssen, aber wurde oft mit so tollen Entdeckungen belohnt, dass ich das weiter so halten werde. Auch 2019 werden hier ausschließlich Frauen promotet.

  • Welches Buch einer Autorin ist Dein diesjähriges Lesehighlight? (Warum?)

Wenn ich schummeln darf, fällt mir als erstes „Die Kieferninseln“ von Marion Poschmann ein. Das hab ich allerdings schon in den letzten Tagen von 2017 gelesen – und zwar in einer ziemlich durchwachten Nacht im Krankenhaus, frisch operiert, mit ständig seufzenden und stöhnenden Mitpatientinnen im Zimmer. „Die Kieferninseln“ haben mich gerettet, und ich musste trotz all dem immer mal wieder lachen – ein echtes Highlight!

Wenn ich nicht schummeln darf, wird es sehr schwer, denn ich hab 2018 einige Bücher sehr genossen, jeweils zu ihrer Zeit. Ich liebe ja Blicke über den Tellerrand, und als solches fand ich Noemie Schneider „Das wissen wir schon“ ziemlich klasse. Der Tellerrand in diesem Fall: meine eigene Generation. Erhellend, die mal aus einer anderen Perspektive anschauen zu können!

In der Kategorie „Skurril und hintergründig“ fand ich unter allem, was ich 2018 gelesen habe, eindeutig Gianna Molinari am besten.

Sachbuch: Cindy Engel „Wild Health – Gesundheit aus der Wildnis“, ein sehr gut geschriebenes Buch über die Beobachtung von Selbstmediktion bei Tieren, dem ich allerdings bislang noch keinen Blogbeitrag gewidmet habe.

Und meinen persönlichen Krimipreis vergebe ich zu gleichen Teilen an Zoe Beck „Die Lieferantin“ und an Katherine V. Forrest „Wüstenfeuer“.

  • Welche  weibliche Lebensgeschichte bzw. Biografie hat Dich in diesem Jahr besonders beeindruckt (und warum?)

Hier möchte ich zwei Bücher nennen: Jacqueline Woodsons „Ein anderes Brooklyn“ und Deborah Ellis‘ „Wenn der Mond am Himmel steht, denk ich an dich“. Eigentlich beides eher Coming-of-Age-Geschichten, aber mal ehrlich: ist das nicht der Grundbaustein und das Interessanteste an jeder Biographie?

Jacqueline Woodson erzählt, wie es war, in den 1970er Jahren als Schwarze Frau in Brooklyn groß zu werden – inmitten von Drogen, Armut, Rassismus, Sexismus und Gewalt. Wer verstehen will, wozu in so einer Welt eine möglichst große Bandbreite starker weiblicher Role Models und Identifikationsfiguren gut ist, bekommt mit der Lektüre von „Ein anders Brooklyn“ eine gute Vorstellung.

Deborah Ellis arbeitet in Toronto als Psychotherapeutin und engagiert sich unter anderem für geflüchtete Frauen. In „Wenn der Mond am Himmel steht, denk ich an dich“ erzählt sie die auf wahren Begebenheiten beruhende Geschichte einer jungen Iranerin, die sich in eine Mitschülerin verliebt. Es ist zugleich Liebesgeschichte, Dokumentation gesellschaftlicher Verhältnisse im Iran und Pamphlet gegen die Verfolgung und Unterdrückung von Homosexualität. Einen besonderen Eindruck hat dieses Buch in mir hinterlassen, weil die Protagonistin uns einen nicht christlich und weiß, sondern islamisch geprägten Blick auf das Leben im heutigen Iran und seine Schattenseiten ermöglicht.

  • Welches Buch einer Autorin möchtest Du in 2019 unbedingt lesen?

Mein eigenes 😉