Alexa ist KI für Dummies

Nein, sie sind nicht smart, die Geräte, die uns jetzt als solche verkauft werden sollen. Womöglich gar als Weihnachtsgeschenke. Da wüsste ich bessere. Zum Beispiel das Buch „Weapons of Math Destruction“ (auf Deutsch: „Angriff der Algorithmen„) der US-amerikanischen Mathematikerin Cathy O’Neil. In diesem Buch wird verständlich und sehr anschaulich beschrieben, was das Problem daran ist, wenn wir immer mehr Antworten auf unsere Fragen so genannten KI-Systemen überlassen (KI steht für „Künstliche Intelligenz“).

Dazu muss man zunächst wissen, wie diese Systeme heute funktionieren. Sie „verstehen“ nämlich nicht, haben also keine interne Vorstellung von Bedeutungen, sondern analysieren und bewerten Daten allein auf Grund von Ähnlichkeiten zu den immensen Mengen an Trainingsdaten, mit denen sie zuvor gefüttert werden mussten. Damit das System mir zb aus einer Menge Fotos diejenigen Fotos auswählt, auf denen eine „schöne Frau“ zu sehen ist, muss ich es zuvor mit tausenden von Fotos gefüttert haben, auf denen „schöne Frauen“ zu sehen sind. Und mit ebenso vielen, auf denen dies nicht der Fall ist. Zeige ich dem System dann ein neues Foto und frage: „Ist das eine schöne Frau?“ bekomme ich als Antwort die berechneten Wahrscheinlichkeiten für ja oder nein, also einen bestimmten Grad der Ähnlichkeit zu meinen Trainingsdaten. Was passiert also, wenn ich als Trainingsdaten nur oder vorwiegend Fotos von dünnen blonden Frauen eingegeben haben? Schwarze oder fülligere Frauen werden niemals als schön erkannt.

Wer sich für weitere Details interessiert und wer wissen will, wo derartige Algorithmen schon jetzt in unser tägliches Leben eingreifen, findet bei Cathy O’Neil einen guten Einstieg.

Noch dazu ist Alexa alles andere als „intelligent“ – der Gebrauch dieses Begriffs im Zusammenhang mit diesem Gerät ärgert mich geradezu. Auf die wenigsten Fragen bekommen wir eine befriedigende Antwort, stattdessen machen wir uns zum Deppen, in dem wir versuchen, das Gerät auf unsere Aussprache einiger weniger Befehle zu trainieren. Warum tun Menschen so etwas? Weil ihnen weisgemacht wird, dass sie damit ganz vorn wären in der Entwicklung der Zivilisation?

In Wahrheit bezahlen die Nutzerinnen und Nutzer dieser Systeme dafür, den Herstellern wertvolle Daten zur Verfügung zu stellen – zusätzlich zu ihren Vorlieben und Interessen zum Beispiel auch die eigene Stimme und Aussprache. Mit diesen Daten werden dann wieder neue Systeme trainiert. Und, eines Tages, werden wir anhand unserer Stimmen inmitten großer Menschenmengen identifiziert und verfolgt werden können. Schön blöd also. Im Vergleich dazu ist Alexa dann vielleicht doch nicht so dumm…

Cathy O’Neil: Angriff der Algorithmen. Wie sie Wahlen manipulieren, Berufschancen zerstören und unsere Gesundheit gefährden

    übersetzt aus dem Englischen von Karsten Petersen

  • Erscheinungsdatum: 21.08.2017 
  • 352 Seiten
  • Hanser Verlag

Cyber War – Syrien als Lehrstück

Wie schafft es eine Journalistin heute noch, Menschen im vermeintlich sicheren Europa für den Krieg in Syrien zu interessieren?

Juliana Ruhfus, Dokumentarfilmerin bei Al Jazeera, die zuletzt einen Film über den Cyberwar in Syrien gedreht hatte, stellte sich genau diese Frage. Und wusste sehr schnell, dass die Antwort mobil und interaktiv sein sollte.
Im Oktober 2016, nach nur 3 Monaten Entwicklungszeit, präsentierte sie #Hacked – ein Online-Spiel, das einer einfachen Grundidee folgt: Finde soviel du kannst über den Krieg im Internet raus, ohne dabei selbst gehackt zu werden. Hintergrund ist die reale Situation in Syrien.
Im Spiel nimmst du die Rolle der JournalistIn ein, die von KollegInnen, Websites und InformantInnen mit Hinweisen versorgt wird. Dabei bringst du dich und andere permanent in Gefahr, von den kriegführenden Parteien gehackt oder in die Irre geführt zu werden.
Brisant an dem Spiel: alle Angriffe und Hacks haben so tatsächlich stattgefunden. Und alle Informationen über den Krieg in Syrien und die immer noch existierenden Kräfte des Arabischen Frühlings sind real.
Ich habe gerade erst angefangen zu „spielen“, und doch schon mehr über den Krieg in Syrien erfahren als in den ganzen letzten Monaten, wo jeder Versuch, zu begreifen, in Trümmerbildern versandete. Wenn ich das Spiel beende, werde ich dazu noch vieles über die Gefahren der Kommunikation im Web gelernt haben (und wie man sich davor bestmöglich schützen kann). Bereits jetzt habe mich emotional neu auf diese Themen eingelassen.

Das Projekt begeistert mich. Well es das Potential hat, uns aus der Lethargie zu reißen. Weil das Engagement der Macherin in jedem Moment spürbar ist.

Und so wollte ich auch wissen, wer und was genau dahinter steckt.

Augenfällig fand ich beim Lesen eines sehr ausführlichen Artikels über die Entstehung des Games, dass es offensichtlich vor allem Frauen waren, die das Projekt entwickelt haben: Juliana Ruhfus, als treibende Kraft, Nataly Rios Goico als erfahrene Game-Konzepterin, Ilze Juhnevica und Zahra Warsame, Designerinnen bei Al Jazeera.

Keine Klischees an dieser Stelle. Einfach mal beobachten. Und vielleicht mit der aktuellen Werbung der Bundeswehr vergleichen.