Ein kurzweiliges und aufschlussreiches Buch über Verhaltensforschung an Tieren, von dem wir viel über Kommunikation und unseren Zugang zur Welt lernen können: Vinciane Desprets „Was würden Tiere sagen, würden wir die richtigen Fragen stellen?“.
Despret betreibt quasi Verhaltensforschung an Verhaltensforscher*innen und kommt zu dem Schluss, dass Tierversuche seit Konrad Lorenz häufig faktisch Verblödungsstrategien sind, weil den Tieren von vorne herein die Möglichkeit abgesprochen (und im grausamsten Fall genommen) wird, aus einem eigenen Wollen heraus zu handeln. So jedoch, belegt sie an ungezählten Beispielen, können wir eigentlich nie etwas substantiell Neues erfahren, sondern erhalten immer nur Bestätigungen für das, was wir an Vorurteilen schon mitbrachten. Ist das schlau?
Um einen kleinen Eindruck vom zu erwartenden Lektürespaß zu vermitteln, hier ein paar Kostproben. Das Buch enthält über 20 verschiedene Texte, die unabhängig voneinander gelesen werden können und Fragen stellen wie: Schließen Tiere Kompromisse?Sollte Betrug ein Beweis für richtiges Verhalten sein? Ist das, was Vögel machen, Kunst? Oder: Haben Pinguine ein coming out?
Unter dem Titel Können Tiere aufbegehren? zum Beispiel lesen wir die Geschichte von den Scheiße werfenden Affen. Aufmerksamen Wissenschaftlern war nämlich nicht entgangen, dass sich die Schimpansen, wenn sie ihnen zum ersten Mal gegenübertraten, der unerfreulichen Angewohnheit hingaben, sie mit Kot zu bewerfen. Jedoch, so schreibt Despret, bereitete diese Gewohnheit dieser Wissenschaft tatsächlich „den Königsweg zum Wissen“ und führte nach 20 Jahren gewissenhafter Beobachtung und Dokumentation zu einer bahnbrechenden Erkenntnis: Schimpansen sind bei dieser Tätigkeit in der Mehrzahl Rechtshänder. Was vielleicht eine bessere Forschungsfrage gewesen wäre, stand ja bereits im Titel.
Ich mochte diese Geschichte genauso wie die weniger plakativen. Es gibt traurige darunter, wie die von dem verwaisten kleinen Äffchen, dass beinahe gestorben wäre, weil die Anwesenden Menschen nicht auf die Idee kamen, dass ihm körperliche Nähe fehlen könnte. Es gibt grausame Geschichten, die zeigen, wie weit manche Menschen zu gehen bereit sind, um ihre eigenen Vorurteile bestätigt zu sehen, wie die von den Ratten im Labyrinth. Und daneben stehen zahlreiche Geschichten, die einfach nur zum Staunen und immer wieder auch zum Freuen sind.
Am Ende bleibt vielleicht die Erkenntnis, wie sehr das, was wir sehen, davon beeinflusst ist, was wir unserem Gegenüber zutrauen. Je enger das gefasst ist, desto dümmer bleiben wir.
Despret, Vinciane (2019): Was würden Tiere sagen, würden wir die richtigen Fragen stellen? Münster: Unrast. https://www.unrast-verlag.de/neuerscheinungen/was-wuerden-tiere-sagen-wuerden-wir-ihnen-die-richtigen-fragen-stellen-detail
Unter anderem dieses Buch hat übrigens eine philosophische Arbeit inspiriert, die ich unlängst geschrieben habe: Erkenntnis als Kollateralnutzen von Beziehungen. Ich werde sie euch demnächst hier vorstellen.
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Ein Gedanke zu „Die richtigen Fragen stellen“