Die deutschsprachige Autorin Marjana Gaponenko (Jahrgang 1981, geboren in der Ukraine) stellt uns einen komischen Kauz vor. Der Roman „Wer ist Martha?“ lässt uns an seinem Abgang aus dieser Welt teilhaben. Luka Lewadski, jetzt 96 Jahre alt, hat sich schon als Jugendlicher entschieden, dem schnöden und schmerzhaften Zwischenmenschlichen den Rücken zu kehren und sich lieber mit Vögeln zu befassen, worin er es tatsächlich zu einiger Meisterschaft gebracht hat. Als sein Arzt ihm mitteilt, dass er Lungenkrebs hat, beschließt er, seine Ersparnisse und seinen guten Namen zu nutzen, um die letzten Tage seines Lebens nicht im Krankenhaus, sondern in der Luxussuite des besten Wiener Hotels zu verbringen – bezahlen wird er am Ende ohnehin mit dem Leben. Diese mutige und verschmitzte Entscheidung zusammen mit seiner Vogelverrücktheit macht ihn sympathisch, auch wenn er ansonsten ein ziemlich überheblicher Misanthrop zu sein scheint. Und so wollte ich wissen, wie es ihm denn nun in seinen letzten Tagen ergeht. Und wer zum Teufel Martha ist.
Spoiler: die Vogelperspektive auf sein Leben bleibt ihm wie uns letztendlich verwehrt, Erinnerungen und Bilanzen bleiben ausschnitt- und flatterhaft, am Ende lesen wir wie im Fieber ins Nichts hinein und wissen nicht mehr, ob wir uns in Realität, Fiktion oder Traum befanden. Ich zumindest bleibe verwirrt zurück, und unzufrieden. Als fehlte etwas am Schluss.
Dazwischen: eine reiche Sprache, Wissenswertes und Kurioses über Vögel, ein bißchen Musikgeschichte und ein paar wenige, aber sehr zarte Begegnungen, die andeuten, was ihm als Misanthrop entgangen sein könnte im Leben.
Ich suche ja immer wieder leidenschaftlich nach Frauen, die schreiben können und mir etwas zu sagen haben. Bei Marjana Gaponenko finde ich ersteres, aber bewegt hat das Buch nichts in mir. Sauschade eigentlich. Und ein bißchen im Widerspruch dazu, dass sie von sich selbst in einem Interview sagt, sie schreibe, weil sie sich für die Zusammenhänge dieser Welt interessiert. Habe ich etwas übersehen? Oder ist das Buch einfach nicht für mich?
Stattdessen mache ich mir Gedanken, warum Frauen, die es im Literaturbetrieb zur Veröffentlichung in einem großen Verlag, zu Besprechungen in renommierten Medien und zu dem einen oder anderen Preis schaffen, in ihrem Werk so scheinbar regelmäßig Männern die größte Aufmerksamkeit zukommen lassen. Wäre diese Geschichte anders geworden, wenn die Protagonistin weiblich gewesen wäre? Falls ja, inwiefern? Und hätte das Buch dann dieselbe Beachtung gefunden? Das würde ich die Autorin zu gerne persönlich fragen.