In dem viel besprochenen Roman „Ellbogen“ von Fatma Aydemir spricht eine gerade 18-jährige, in Deutschland aufgewachsene Türkin zu uns, und ihre Sprache ist weder gewaltfrei noch freundlich.
Auch die Geschichte ist es nicht. Die junge Frau hat keine Heimat, nicht in ihrer Familie, nicht in einer Gesellschaft (weder der „kartoffeldeutschen“ noch der türkischen). Am Ende der Pubertät und einer fadenscheinigen Schulbildung mit, so wird angedeutet, überforderten LehrerInnen, sieht sie keinerlei Zukunft für sich. Ihr einziger Bezugspunkt ist eine kleine Clique von Freundinnen, denen es ebenso geht.
Für diese Mädels ist „Opfer“ ein Schimpfwort, und so treten sie auch auf, solange sie im Mob sind: wehrhaft, großmäulig, verächtlich und verbal aggressiv gegen alles, wovon sie sich schlecht behandelt, angegriffen, beleidigt oder ausgegrenzt fühlen. Und auch gegen vieles, was anders ist als sie, aber als Teil der „kartoffeldeutschen“ Gesellschaft empfunden wird, die sie ausschließt.
Als sie zusammen einmal zu viel zurückgewiesen werden, einmal zu viel auf Vorurteile treffen, einmal zu viel blöd angemacht werden, weil sie Frauen sind, schlagen sie um sich. Bis der Täter, ein betrunkener, „kartoffeldeutscher“ Student, zum Opfer wird und leblos auf den U-Bahngleisen liegt.
Achtung, Spoiler: Wer nun auf Reue hofft, wird bis zum Ende des Buchs vergeblich warten.
Es gibt auch keine andere Art von Happy End, lediglich die Erkenntnis, letztlich auf sich ganz allein zurückgeworfen zu sein und das Leben selbst in die Hand nehmen zu müssen. Eine Erkenntnis, die auch dazu zwingt, bewusst Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen.
Wenn wir alle doch nur schon an diesem Punkt wären!
Auch als Angehörige von In-Groups (als Kartoffeldeutsche mag ich mich selbst nicht so gern bezeichnen) können wir noch viel lernen, wenn es um das Bewusstsein über die eigenen inneren Beweggründe und die Artikulierung von Bedürfnissen geht. Um das Wissen, dass ich andere niemals dazu zwingen kann, dasselbe zu wollen wie ich. Und wenn ich sie dazu zwinge, so zu tun, werden sie mich (oder sich selbst) wahrscheinlich dafür hassen.
Marshall Rosenberg, Erfinder der Methode „gewaltfreie Kommunikation“, sagt, ich kann aber erklären und bitten. Und versuchen, den oder die andere erst einmal wirklich zu verstehen. Dann entstehen womöglich Empathie, Respekt und der Raum, in dem wir freiwillig versuchen, uns das Leben gegenseitig angenehmer zu gestalten.